Pianistische Extravaganz
Vom Schweizer Montreux nach Bochum im Ruhrgebiet ist es manchmal nur ein kurzer Weg. Spontan entschlossen zeigte sich Max Vax zum Gespräch bereit, änderte kurzfristig seine gesamten Reisepläne, denn es eilte: Nur einen Tag später flog der zurzeit Vielbeschäftigte für drei Wochen nach Israel, um dort weitere Tourpläne auszuarbeiten.

Eines fällt im Gespräch mit Max Vax sofort auf: Er ist von sich Überzeugt, dabei aber kein bisschen überheblich,obwohl er es vielleicht sein könnte, denn mit seinem Trio hat er mittlerweile seine zweite CD veröffentlicht. die ihn und seine beiden Musiker als große Talente des Modern Jazz zeigen. Doch schlummern im 1975 im russischen Gorky geborenen MaxVax noch ganz andere Talente. Mit schimmernden Augen und detailliertem Wissen erzählt er von seinen frühen Vorbildern Bach und Rachmaninoff, die für ihn bereits Strukturen und Harmonien des Jazz vorgenommen haben. Aber in dem Maße, in dem er die großen Klassiker verehrt, sah er sich auf der Suche nach neuen Möglichkeiten schnell der improvisatorischen Musik verfallen, obwohl es im Russland seiner Jugendzeit äußerst schwer war, diese legal zu bekommen.

"Wenn man eine Beethoven-Sonate am nächsten morgen wieder aufschlägt, sieht sie genauso aus. Die Philosophie der Klassik erlaubt keine Änderung", und daher versuchte er sich mit 12 oder 13, nachdem er fast sechs Jahre lang klassisches Klavier studierte, dem Jazz zuzuwenden. Eine Platte des Oscar Peterson Trios gab den endgültigen Ausschlag. "Für sieben Rubel habe ich sie erstanden, das war damals unglaublich viel, und sie hatten nur zehn Platten für unsere Stadt bestimmt."

Durch den Zusammenbruch des Sowjetkommunismus ging Max Vax 1993 nach Holland, wo er aufgrund einer frühen Aufnahme eingeladen wurde, um dort bis 1999 in Rotterdam Jazz und Klassik zu studieren. Seit diesem Moment lebt er in Hannover, wo er enge Kontakte zum dortigen Jazz-Club Hannover pflegt, die auch seine zweite CD produziert haben. Bei seinen Studien in Rotterdam lernte er den Schlagzeuger Ralf Jackowski kennen, mit dem er seit dieser Zeit eng zusammenarbeitet, trotz verschiedener Geschmäcker, doch "verschärfte es die gemeinsame Zusammenarbeit" und machte aus beiden "ein wunderbares Tandem". Holland war für Max Vax "eine Zeit des Werdens, bei der ich künstlerische Referenzpunkte gesammelt habe." Seit dieser Zeit ist er auch ein Anhänger der Trio-Formation - auch wenn er sich vereinzelt Quartetten oder Septetten zuwendet - die seines Erachtens noch längst nicht ausgeschöpft ist und für ihn ein klassisches Kammerensemble symbolisiert. Seine direkte Verbindung zur klassischen Musik, der Max Vax auch immer noch als Pianist bei Auftritten verbunden ist, wird hierbei deutlich.

Abgesehen von seinem musikalischen Wissen und Empfindungen entpuppt sich Vax beim Gespräch als überaus intellektueller Gesprächspartner, der sich und seiner Musik, aber auch seinem ganzen Leben fast philosophische Tiefe gibt. "Ich bin ein Bewunderer der l'art-pour-l'art-Bewegung, bei der der Künstler im Mittelpunkt steht. Außerdem muss alles was ein Künstler produziert einen tieferen Sinn haben. ... Banalität ist der größte Feind der Kunst, auch in der Musik."

Sein zweites Album Unspoken Words besticht durch wahnsinnige musikalische Kontraste, von Energie und Tempo bis hin zur zerbrechlichen Zärtlichkeit, und Max Vax zeigt in jedem der acht Eigenkompositionen seine unglaublichen pianistischen Fähigkeiten, die hinter keinem seiner Vorbilder - Art Tatum, Oscar Peterson, Sergej Rachmaninoff - zurückstehen. "Vor Konzerten übe ich sechs bis acht Stunden, denn die instrumentale Technik ist vom Schwierigkeitsgrad der Idee abhängig."

Ein Pluspunkt auf dem Album sind Ralf Jackowski und der Bassist Hervé Jeanne, die mit Raffinesse dezent im Hintergrund bleiben ohne völlig zurückzutreten. "Meine Musik hat ein eigenes Gesicht. Es gibt meines Erachtens auch keine schwierige Musik oder leichte Musik, sondern nur Musik, die etwas sagt oder nicht." Unspoken Words sagt etwas über Max Vax aus, auch wenn man ihn nicht persönlich kennt. Und zu Recht hat er im Juni 2003 den Ersten Preis beim 5th International Monaco Jazz Solo Competition gewonnen.

Auf die Frage zu seiner Zukunft sagte Vax, der so häufig wie möglich mit seinem 70 Jahre alten Schittmeier-Flügel zu den Konzerten anreist: "Man weiß, was man will, der Weg ist die Überraschung." Sicherlich wird noch viel Überraschendes von Max Vax und seinem Trio zu hören sein, ein absoluter Genuss für Fans der pianistischen Extraklasse, aber auch für melancholische Momente.